Wie in unserem Beitrag zu Bandarawela und Ella berichtet, haben wir es leider kein zweites Mal nach Ella geschafft. Kanil, unser Host in Kandy, hatte uns sehr kurzfristig kontaktiert um uns mitzuteilen, dass er mit seiner Familie gerade wieder eine Ferienwoche auf dem Anwesen seines Vaters verbringt. Dieses liegt etwa zwei Autostunden von Ella / Bandarawela entfernt und so wollte er uns gern für einen Tagesausflug abholen. Da haben wir natürlich nicht nein gesagt und sind am nächsten Tag gemeinsam gestartet. Ziele sollten sein „Mini Worlds End”, das Estate der Familie und ein nahegelegener Wasserfall.
1. Mini Worlds End
Die Fahrt zum Aussichtspunkt Mini Worlds End hat leider sehr viel länger gedauert, als erwartet. Da hatte Kanil sich doch etwas verschätzt. Wir sind drei bis vier Stunden dorthin gefahren. Die Fahrt durch das Hochland war lohnenswert, da wir viel gesehen haben, doch Martin und ich sind immer lieber direkt in der Natur. Solltest du also dort hinfahren wollen, plane genug Zeit ein. Und du brauchst definitiv ein Auto, denn mit dem Roller kannst du die Strecke nicht stemmen. Aufgrund diverser grober Schlaglöcher mussten wir das Auto ein gutes Stück entfernt vom Aussichtspunkt abstellen und sind die letzten 30 Minuten gelaufen. Sowohl bei der Fahrt durch das Hochland als auch hier passiert man unzählige Teeplantagen. Kanil sagte uns, dass seit seinem letzten Besuch dort sehr viel Wald verschwunden ist, was nicht schön ist. Doch wer mitdenkt, wird schnell selbst feststellen, dass in Sri Lanka Wald für Tee weichen muss.
Die Arbeiter dort waren alle Tamilen (Hindus), da das ganze Gebiet vornehmlich von ihnen bewohnt wird. Auf dem Land leben die einzelnen Religionen eher getrennt und es gibt auch Konflikte, die allerdings zusätzlich von der Regierung geschürt werden. Teile und herrsche gilt überall und funktioniert auch überall.
Die Aussicht vom Mini Worlds End ist wirklich atemberaubend. Man hat den weitesten Blick über recht flaches Seenland und kann sogar Richtung Nordosten bis zum Meer gucken. Weil dort 2022 ein unbedachter Betrunkener beim Camping in den Tod gestürzt ist, ließ die Regierung den Aussichtspunkt einzäunen. Man kann darüber steigen.
2. Hopton Estate: Zurück ins 19. Jahrhundert
Kanil ist in den Bergen inmitten der Teeplantagen aufgewachsen, da sein Vater für eine britische Teefirma arbeitet. Ausnahmsweise geben wir hier keinen Google Pin. Zudem ist dieser auch falsch gesetzt. Wenn du Hopton Estate suchst, wirst du nicht den richtigen Bungalow finden. Die hohen und mittleren Manager der Teeplantagen wohnen in alten Bungalows aus der Kolonialzeit und bekommen dort alles gestellt. Sogar einen Firmenwagen. Rente gibt es auch. Das ist dann eben das westliche Wirtschaftsmodell. Kanils Vater ist Dachmanager von sechs Teeplantagen und lebt dauerhaft in dem Bungalow aus dem 19. Jahrhundert, während die Familie wegen der Schule nach Kandy gezogen ist. An den meisten Wochenenden und in den Ferien leben sie auf Hopton Estate.
Es ist wie eine Reise zurück in die Vergangenheit. Die Einrichtung besteht teils noch aus den alten Kolonialmöbeln. Die Einbauten, wie im Badezimmer, auch. Leider müsste das Haus einmal grundsaniert und -renoviert werden, wofür die britische Firma zuständig wäre, doch das scheint seit Erbauung des Hauses kaum geschehen zu sein. Stell dir also kein Wohnen nach westlichen Standards vor. Das Anwesen ist riesig und auf das Grundstück eines jeden „höheren” Bungalows wurde ein bestimmter Baum gepflanzt, dessen Namen wir leider vergessen haben und der riesig wird. Siehe Foto. So soll gleich erkennbar sein, dass das ein Anwesen eines höheren Mitarbeiters ist.
Das Anwesen hat einen Billard-Raum, in dem einer der ältesten und größten Billardtische Srilankas samt Ausstattung steht. Ein Relikt aus der Kolonialzeit von unschätzbarem Wert. Und wir haben das Spiel „Carrom” kennengelernt (siehe Bild), eine Art Finger-Billard oder Dame zum Schnipsen. Da der Ausflug zu Mini Worlds End so lange gedauert hat, konnten wir leider nicht so viel Zeit im Anwesen verbringen, was sehr schade war. Wir hätten auch gern noch mit Kanils Vater ausführlicher über die Arbeitssituation gesprochen. Dieses Erlebnis war jedenfalls eines der schönsten und einprägsamsten all unserer Reisen. So wie 2011 in Marokko, als wir auf die Hochzeit eingeladen wurden.
Sehr befremdlich für uns war die Tatsache, dass in dem Haus Bedienstete arbeiten. Es gibt drei Köche, jemanden, der bedient und sich um alles kümmert und einen Gärtner. Am Esstisch ist eine Klingel an einer Schnur angebracht, mit der für jeden Wunsch der Butler gerufen wird. Was auch so geschehen ist. Solche Klingeln hängen übrigens auch über den Betten. Der Butler sah ebenfalls wie ein Relikt aus dem 19. Jahrhundert aus. Very british we would say. Wir haben uns in der Situation jedenfalls sehr unwohl gefühlt. Die Mitarbeiter wohnen zusammen in einer kleinen Unterkunft am Haus, was das steile Gefälle in der „Rangordnung” nur allzu deutlich zeigt. Deren Familien leben außerhalb des Anwesens.
3. Teeanbau in Sri Lanka
Im Zuge der Kolonialisierung Srilankas haben sich die Briten natürlich nicht lumpen lassen und ihren Fußabdruck dauerhaft hinterlassen. Wie immer hat das positive und negative Seiten. Positiv: Die Teefirmen schaffen Arbeitsplätze und Kanils Vater beispielsweise ist in seiner Arbeit immer sehr glücklich gewesen. Es wird gutes Geld bezahlt, nach westlichen Standards gewirtschaftet und so auch die Mitarbeiter (zumindest in den höheren Rängen) behandelt. Das Gehalt ist dementsprechend wesentlich höher, als in Sri Lanka üblich und so geht es der Familie wirtschaftlich gut. Da es unzählige Teeplantagen gibt, profitieren natürlich viele Srilankaner von den wirtschaftlichen Beziehungen. Die einfachen Arbeiter und das Hauspersonal leben jedoch trotzdem in ärmlichen Verhältnissen. Das Gefälle von Manager zu Arbeiter ist hier schon krass und auch Kanil waren diese Dinge nicht bewusst, bis wir ihn darauf angesprochen haben. Die Firma, für die Kanils Vater arbeitet, wirtschaftet nach modernsten, nachhaltigen Standards. Dennoch sei gesagt, dass die Pflanzen gespritzt werden. Bio ist eben noch einmal etwas anderes. Und jetzt stell dir das flächendeckend im Hochland vor. Wir haben gesehen, dass die Arbeiter mit den Kanistern voller Pestiziden durch die Plantagen laufen und sprühen.
3. 1. Veränderung der Situation
Leider hat die britische Firma ihre Plantagen vor ein paar Monaten an srilankische Manager verkauft. Seitdem haben sich die Arbeitsbedingungen extrem verschlechtert, da diese Leute nur auf Profitmaximierung aus sind. Dass Arbeitsschutz und Mitarbeiterrechte in solchen Ländern nicht vorhanden sind, sollte jedem klar sein. Kanils Vater hat seitdem sehr viel mehr Stress, den er als Dachmanager an seine Untergebenen weitergeben muss. Da die Dorfgemeinschaft vor Ort klein ist und man sich kennt, macht man sich damit nicht unbedingt beliebt. Leider ist sein Vater auch nur gezwungen, seine Arbeit zu machen. Druck von oben nach unten. Er leidet jedenfalls unter der Situation und hat überlegt, zu wechseln.
3. 2. Es ist eben nicht so einfach
Differenziertes Denken ist bei der Überlegung nötig, ob das alles immer so schlecht ist, was westliche Unternehmen in Drittwelt- oder Schwellenländer einbringen. Es ist ein komplexes Geflecht aus Geld, Machtspielchen, Korruption auf allen beteiligten Seiten, Abhängigkeiten, Unterdrückung aber auch ein gewisses resigniertes Fallenlassen in Ist-Situationen der betroffenen Länder, das wir in Sri Lanka sehr stark beobachtet haben. Und solange Regierungs-Kliquen, wie in Sri Lanka oder auch in Afrika, von westlichen Geldflüssen profitieren können, wird sich an solchen wirtschaftlichen Ausbeutungs-Geflechten nichts ändern. Außer, es gibt eine große Revolution, die aus dem Volk heraus entsteht.
Dasselbe gilt für die immer schlimmer werdende Situation in Deutschland und Europa allgemein, doch wir haben keine Hoffnung, dass sich hier wirklich etwas dreht. Zudem würde das Bürgerkrieg bedeuten und unzählige Opfer fordern. Was in Ländern wie Sri Lanka die Verwahrlosung durch Armut ist, ist im reichen Westen die Wohlstandsverwahrlosung. Frei nach dem Motto „Mir geht es doch gut, warum tätig werden?” So – ein kurzer Ausflug dazu. Take Away: Die Dinge sind nicht immer, wie sie auf den ersten Blick erscheinen; einfach schon gar nicht und es gehören immer mindestens zwei (Regierungs)Parteien zu solchen wirtschaftlichen Geflechten. Den Tribut zahlt immer die normale Bevölkerung. Die sich allerdings, wie gesagt, auch selbst in Bewegung setzen muss, um etwas zu ändern. Und an einer Macher-Einstellung fehlt es in Sri Lanka wirklich überall.
4. Peessagama Wasserfall
Nahe dem Anwesen liegt der Peessagama Wasserfall, den wir auch noch besucht haben. Hier musst du allerdings nicht extra hinfahren.
Tage wie diese machen das Reiseleben aus und werden immer in Erinnerung bleiben. Ohne Kanil und seine Familie wäre uns unsere Zeit in Sri Lanka wirklich nur negativ in Erinnerung geblieben. Danke!
Im nächsten Beitrag nehmen wir euch mit an die Küste nach Hikkaduwa. Unsere letzte Station in Sri Lanka.
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